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Station „Aufgeklärt“, digitaler Entwurf der Ausstellungsmöbel in Wandschirm-Optik, in Holz- und Grüntönen und mit verschiedenen Interaktionsmöglichkeiten

Aus dem Zusammenspiel von Text, Raumgestaltung und Objekten ergibt sich ein ganzheitliches Museumserlebnis. Grafik: Studio Erika

Niemand kommt nur zum Lesen ins Museum, und doch gehört der Ausstellungstext zum Erlebnis einer Ausstellung dazu. Diese Texte entstehen nicht über Nacht, sondern durchlaufen einen langen Redaktionsprozess. Im Rahmen unserer Rubrik “Behind the Museum” zeigen wir euch, was wir dabei alles mitdenken.

Text ist nicht gleich Text

Rund um eine Ausstellung entstehen verschiedene Textarten, jede davon mit unterschiedlichen Anforderungen. Ein Konzepttext für Gestalter, Mittelgeber und Expert:innen sollte möglichst konkret und sachlich sein. Werbetexte sollen auf die Ausstellung aufmerksam machen, dafür dürfen sie auch mal laut und provokativ daher kommen. Die Anforderungen an Ausstellungstexte sind besonders vielschichtig: Als Museumsbesucher:in muss man zwar nicht mehr in die Ausstellung geworben werden, man ist ja schon da. Trotzdem will man die Zusammenhänge zu den Ausstellungsobjekten verstehen und etwas Neues lernen. Dabei  will sich niemand in einer Ausstellung durch wissenschaftlich verklausulierte Texte kämpfen, schließlich liest man oft im Stehen. Ein guter Ausstellungstext schließt möglichst viele Lesende ein, er erzählt eine Geschichte und informiert, ohne zu überfordern. Ganz schön viele Anforderungen an so ein paar Zeilen, oder?

So wenig Text wie möglich, so viel wie nötig

Die Länge der Ausstellungstexte ist dabei ein umstrittenes Thema. Untersuchungen zeigen, dass Ausstellungstexte oft nicht zu Ende gelesen werden, viele Besucher:innen verbringen nur wenige Sekunden vor Wandtexten. Wir wissen aus unseren eigenen Besucher:innenbefragungen aber, zum Beispiel zu unserer Ausstellung Klima_X, dass vor allem Menschen mit viel Vorwissen lange Ausstellungstexte schätzen. Für Apropos Sex haben wir uns für eher kurze Ausstellungstexte entschieden. So möchten wir möglichst viele Menschen in ihren unterschiedlichen Bedürfnissen abholen. Die längsten Texte werden 500 Zeichen lang, das ist etwas weniger als dieser Absatz. Wer mehr wissen will, kann in einer Lesestation oder hier auf dem Blog tiefer einsteigen.

Verschiedene Textebenen geben die Möglichkeit, je nach Zeit und Interesse tiefer in die Ausstellung einzutauchen. Grafik: Studio Erika

Ausstellungstexte sind Teil der Raumerfahrung

Anders als bei einem Buch werden Inhalte in einem Museum auch durch das Anfassen von Objekten, dem Erleben von Licht und Farben im Raum und durchs Mitmachen an interaktiven Stationen vermittelt. Der Ausstellungstext muss sich in dieses vielschichtige Erlebnis geschickt einweben und an den richtigen Stellen platziert werden, damit er gelesen wird. Sorgfältig geplante Textebenen helfen dabei, Besucher:innen mit unterschiedlich viel Zeit und Interesse sinnvoll durch die Ausstellung zu leiten. Wer nur kurz Zeit hat, erhält durch Überschriften und Leittexte Orientierung. Auf der Vertiefungsebene und an Objekttexten werden die Inhalte immer detailreicher. So entdeckt man auch nach mehreren Besuchen immer wieder etwas Neues.

Inklusive Ausstellungstexte

Möglichst barrierearm und inklusiv zu texten, ist uns besonders bei den Ausstellungstexten wichtig. Bis zu 80000 Menschen besuchen unsere Wechselausstellungen in ihrer zweijährigen Laufzeit in Frankfurt und Berlin. Manche dieser Menschen sprechen kein Deutsch, andere tun sich mit kurzen Sätzen leichter und wieder andere steigen ganz neu ein ins Thema Geschlecht und Sexualität. Wir wollen mit unserer Ausstellungssprache so wenig Menschen wie möglich außen vor lassen. Deswegen werden unsere Texte neben Deutsch auch auf Englisch und in Leichte Sprache übersetzt. Leichte Sprache ist eine vereinfachte Form der Alltagssprache. Sie beruht auf einigen Regeln, die es zum Beispiel Menschen mit kognitiven Einschränkungen einfacher machen, Texte zu verstehen.

Sensitivity Readings gegen stereotype Darstellungen

Diskriminierungssensibles Texten hört aber nicht beim Angebot Leichter Sprache auf. Gerade beim Thema Sexualität haben wir teilweise unreflektierte Klischees, Vorurteile und Stereotypen im Kopf. Vor allem wenn wir nicht Teil der Gruppen sind, die Diskriminierungserfahrungen machen, zum Beispiel Menschen aus der queeren Community, BiPoC oder Menschen mit Behinderungen, reproduzieren wir diese Stigmatisierungen vielleicht unbewusst in unseren Texten. Wir haben vielleicht automatisch hetero-Pärchen im Kopf, wenn wir von Sexualpartner:innen sprechen, oder wir denken nur an Menschen ohne körperliche Einschränkungen, wenn es um die Nutzung intimer Medien geht. Deswegen lassen wir unsere Texte speziell darauf gegenlesen. Das sogenannte Sensitivity Reading ist ein Lektorat, das darauf abzielt, marginalisierte Gruppen mitzudenken und sensibel mit ihren Erfahrungen umzugehen.

Der Redaktionsplan zeigt: Viele Köpfe schauen über viele Redaktionsschleifen immer wieder über die Ausstellungstexte. Grafik: Museum für Kommunikation Frankfurt.

Inhaltliche Überprüfung und letzter Feinschliff

Natürlich werden unsere Texte auch von inhaltlichen Expert:innen gegengelesen. Hier unterstützt uns insbesondere die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Die Übersetzungen in Leichte und englische Sprache werden ebenfalls von Menschen angefertigt, die inhaltlich mit dem Thema Sexualität und sexuelle Bildung vertraut sind.

Nach vier Korrekturschleifen in internen und externen Runden wird der Text dann noch einmal final lektoriert. Hier wird ein letztes Mal darauf geachtet, ob uns ein Kommafehler, ein Leerzeichen zu viel oder ein Satzzeichen zu wenig unterlaufen sind. Denn wenn ein Ausstellungstext erst mal in Auftrag gegeben wird, ist er, anders als ein Online-Text, nicht mehr so leicht zu korrigieren. Auch deswegen nehmen wir uns viel Zeit für unsere Ausstellungstexte.

Hättet ihr gedacht, dass so viele Köpfe hinter Ausstellungstexten stehen? Lest ihr lieber ausführliche oder knappe Texte in einer Ausstellung? Lasst es uns in den Kommentaren wissen!

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