Das Kollektiv Catcallsofffm macht sexualisierte Belästigungen auf Frankfurts Straßen sichtbar. In unserer Ausstellung zeigen wir einige der angekreideten verbalen Übergriffe. Welche Erfahrungen das Kollektiv dabei gemacht hat, teilen Catcallsofffm in einem Gastbeitrag.
„Ich hab den ganzen Heimweg gezittert“
„Die Jacke hab ich nie wieder angezogen, es war meine Lieblingsjacke.“
„Die Verbindung hab ich nie wieder genommen, ich bin immer einen Umweg gefahren.“
„Es ist über acht Jahre her, aber ich weiß es noch ganz genau.“
So oder ähnlich enden die meisten der über 150 Nachrichten, die wir bei catcallsoffm bisher bekommen haben.
Wir haben es aus eigener Erfahrung geahnt, jetzt wissen wir es mit absoluter Gewissheit: Belästigung erzeugt Leid, echtes Leid. Belästigung ist nicht, wie der Name vermuten lässt, bloß lästig.
Sexualisierte Belästigung erzeugt echtes Leid
Betroffene haben Angst. Schämen sich. Suchen die Schuld bei sich. Und, wie eingangs zitiert, nicht selten passen sie ihr Leben dieser ständigen Bedrohung im öffentlichen Raum an. Betroffene vermeiden bestimmte Orte, Wege, Kleidung, Substanzen, Gesellschaften. Es greift so viel mehr in ihr Leben ein, als man ein paar Worten oder einer Berührung zugestehen möchte.
Das ist keine theoretische Diskussion darüber, was „sich gehört“ oder nicht, was man moralisch richtig oder falsch findet. Es geht um die Angst, die so viele von uns haben müssen, weil sie sich in der Bahn, bei der Arbeit, auf dem Heimweg, im Verein nicht sicher fühlen können. In öffentlichen Räumen, die per Definition doch allen Menschen gleichermaßen zustehen sollten.
Mit Kreide gegen sexuelle Übergriffe
Wir von Catcallsofffm bekämpfen sexualisierte Belästigung in Frankfurt. Das machen wir so simpel, wie effektiv: Wir kreiden Belästigung an. Buchstäblich. Wir sind eine Plattform, an die sich alle Frankfurter:innen wenden können. Wir erhalten Eure Nachricht, fahren an den Ort des Geschehens und schreiben mit Kreide auf den Boden, was gesagt oder getan wurde. Weil wir diesen Raum zurückerobern wollen. Weil wir ihn nicht den Menschen überlassen wollen, die ihre Macht demonstrieren, indem sie andere einschüchtern, abwerten, ängstigen und sexualisieren. Und ja, die anderen sollen auf dem Weg zur Bahn oder ins Fitnessstudio drüber laufen müssen. Das Ausmaß realisieren müssen. Im Idealfall darüber nachdenken müssen. Im noch besseren Fall das Gespräch darüber suchen wollen.
„Er packte mich am Po. Die Security sagte: ‚Nimm es als Kompliment. Du bist ja auch hübsch!'“ – Übergriffige Situationen wie diese dokumentiert das Kollektiv catcallsofffm am Ort des Geschehens.
Catcalling hat nichts mit Komplimenten zutun
Für zu viele ist Catcalling unfreiwilliger Alltag, auch ohne über Ankreidungen zu laufen. Es ist kein Kompliment. Nie. Es ist eine Machtdemonstration. Catcalling demonstriert, dass Menschen glauben, selbst die widerlichsten Dinge sagen zu können. Und es ist auch die gefährliche Verheißung, was sie mit dieser Macht noch tun könnten.
Diese Diskussion verunsichert einige, das ist uns klar, das ist auch legitim. Aber wer nicht weiß, ob er gerade flirtet oder belästigt, dem tut eine Phase der Verunsicherung vielleicht gar nicht so schlecht.
Viele Fragen werden uns immer wieder gestellt. Wir beantworten euch einige davon.
Ist das gefährlich, wenn ihr die Belästigungen auf die Straße kreidet? Selten. Vereinzelt kommen bedrohliche Reaktionen, häufiger mal Diskussionen, am allermeisten aber positive Resonanz und ganz viel Solidarität.
Belästigen “Ausländer” mehr? NEIN! Die Vorstellung, Migrationsgeschichte habe etwas mit Belästigung zu tun, ist ein rassistisches, aber leider immer wiederkehrendes Gerücht. Dahinter steckt eine ganz schwache, durchschaubare, aber sehr gefährliche Taktik, sich nicht mit dem eigenen Sexismus auseinandersetzen zu müssen.
Was ist das Ziel? Auf unserer instagram-Seite wollen wir einen sicheren Online-Raum schaffen. Außerdem wollen wir Bewusstsein erzeugen. Gespräche anregen. Räume erobern. Solidarisch sein.
Wo passiert das? Überall. Das ist leider so. Die Nachrichten, die wir bekommen, decken praktisch den gesamten öffentlichen Raum Frankfurts ab. Es gibt allerdings örtliche Ballungszentren: Dazu zählen öffentliche Verkehrsmittel und Haltestellen, das Bahnhofsviertel, die Konstablerwache und die Hauptwache, das Mainufer, Altsachsenhausen.
Wer belästigt? Wer wird belästigt? Wir haben bisher ausschließlich Nachrichten erhalten, in denen männlich gelesene Menschen weiblich gelesene Menschen belästigt haben. Das deckt sich auch mit unserer persönlichen Erfahrung und der statistischen Lage. Wir sind allerdings explizit offen für Nachrichten aller Menschen, egal, wie sie sich definieren und gelesen werden.
Du kennst Catcalling aus eigener Erfahrung? Wenn Du magst, melde Dich, am besten über unseren instagram-Account. Wir glauben Dir. Immer. Wir wissen, wie Du Dich fühlst.