
Begleitete Lust: Paminas Koffer ist in unserer Ausstellung im Themenbereich “Sexualität und ich” zu entdecken. Bild: Stiftung Post und Telekommunikation.
In unserer Ausstellung hat der grüne Koffer von Pamina einen besonderen Platz gefunden – und das nicht ohne Grund. Der Koffer verrät einiges über ihre Arbeit als Sexualbegleiterin. Im Interview erzählt uns Pamina, wann eine Sexualbegleitung sinnvoll ist, was bei einem Treffen mit ihr passieren kann und was sich politisch ändern müsste.
Museum für Kommunikation: Pamina, was passiert, wenn eine Person ein Treffen mit dir bucht?
Pamina: Mein Ziel ist eine authentische Begegnung, ähnlich wie mit einem potenziellen Sexualpartner. Dazu gehört auch, dass wir beide teilen, was wir möchten, und wo unsere Grenzen liegen. Dann bauen wir, wenn das gewünscht ist, auch Körperkontakt auf. Durch Berührungen, Streicheln, oft auch eine Massage, bei der die Person wählen kann, ob sie zuerst massieren oder massiert werden möchte. Ich finde es total schön, Menschen da die Möglichkeit zu geben, sich auszuprobieren.
Bietest du also ein Set an Dienstleistungen an, die deine Klient:innen in Anspruch nehmen können?
Nein, man kauft Zeit mit mir, keine Handlungen. Treffen können auch nur aus Kuscheln, Gesprächen oder gemeinsamen Aktivitäten bestehen. Es geht oft auch um sozialen Kontakt und emotionale Begleitung.
In unserer Ausstellung zeigst du deinen grünen Koffer. Was können unsere Besucher:innen da entdecken?
Bei einem Treffen nutze ich auf jeden Fall nie alles davon. Die Dinge im Koffer haben auch eine Aufklärungsfunktion. Ich erkläre den Umgang mit verschiedenen Toys, z.B. einem Massagestab, hier mit Leoprint. Man nutzt ihn für softe Reizstimulierung, am Rücken, aber auch im Genitalbereich. Dadurch wird der Körper noch empfänglicher und sensibler für weitere Berührungen. Außerdem gibt es Dildos, Analplugs und Lecktücher zur Verhütung beim Oralsex und Kondome. Der Auflege-Vibrator hilft Menschen mit eingeschränkter Feinmotorik.
Gibt es eine Begegnung, die dir besonders in Erinnerung geblieben ist?
Ich erzähle ungern spezifischen Geschichten, aber viele Erlebnisse begleiten mich lange. Ich hatte nicht erwartet, so viele Schicksale zu hören und auch Emotionen auffangen zu müssen, die sich bei vielen anstauen.
Auf deiner Website schreibst du, dass Menschen mit Behinderung oft das Bedürfnis nach Sexualität abgesprochen wird. Welche Folgen kann das haben?
Aufgestauter Frust kann sich in Aggression, Gewalt oder Übergriffigkeiten äußern, z.B. gegenüber Pflegekräften. Wenn dahinter ein unerfülltes sexuelles Bedürfnis steht, kann Sexualbegleitung eine Lösung sein. In meiner Ausbildung haben wir von diesem Verhalten eher bei Männern gehört. Ohne pauschalisieren zu wollen, tendieren Frauen dagegen eher zu selbstverletzendem Verhalten oder Depressionen. Leider wird hier schnell mit Antidepressiva statt mit spezifischer Unterstützung reagiert.
Für viele Erwachsene ist es schwer, mit ihren Eltern über Sexualität zu sprechen. Was würdest du jemandem raten, der sich vorstellen kann, dass ein Elternteil, das sich zum Beispiel in einer Pflegeeinrichtung befindet, hier ein unerfülltes Bedürfnis verspürt?
Das Gespräch sollte nicht allein die Aufgabe der Kinder sein. Es ist natürlich schön, wenn man es schafft, diese Ebene mit den Eltern zu teilen und das Schweigen dahingehend zu brechen. Aber wenn die Eltern in der Lage sind, sich selbst Unterstützung zu suchen, sehe ich die Verantwortung da nicht unbedingt bei den Kindern. Wenn das nicht möglich ist, können Betreuende oder das weitere Umfeld unterstützen.
Wo können sich Interessierte und Angehörige über Sexualbegleitung informieren?
Es gibt etwa 100 angemeldete Sexualbegleiter:innen, vorwiegend Frauen. Eine Liste findet sich auf www.sexualbegleitung.com, dort bin ich auch gelistet.
Angenommen, eine Person interessiert sich für deine Tätigkeit. Wie kann man Sexualbegleiter:in werden?
Es gibt keinen geschützten Ausbildungsberuf, aber eine Anmeldung als Sexarbeiter:in ist notwendig. Viele interessieren sich dafür, fühlen sich aber ohne Einführung unsicher. Dann sind spezifische Ausbildungsangebote wie das des ISBB, wo ich selbst gelernt habe, sinnvoll. Ich halte zumindest eine Tantra-Massage-Ausbildung für ratsam. Grundsätzlich kann man sich dann aber selbstständig machen und in den Beruf starten.
Gibt es politische Herausforderungen oder konkrete Forderungen, die sich aus deiner Arbeit ergeben?
Ich weiß, dass viele meiner Kolleginnen aus der Sexualbegleitung und der Sexarbeit unzufrieden sind mit dem sogenannten Prostitutionsschutzgesetz. Der Bundesverband Sexuelle Dienstleistungen (BSD) kritisiert, dass hier Schutz versprochen wird, wo keiner existiert. Strenge Wohnsitzauflagen und Sperrbezirke verdrängen Sexarbeit aus dem gesellschaftlichen Bild. Das sind nur wenige von vielen Kritikpunkten.
Gibt es auch Forderungen deiner Klient:innen, in Bezug auf die Anspruchnahme von Sexualbegleitung?
Ja. Gerade in Fällen, wo ein Bedarf nachgewiesen wird, wäre es sinnvoll, dass die Krankenkassen zumindest in Teilen finanziell unterstützen. Sexualbegleitung erfüllt dann ja auch einen therapeutischen Zweck. Auch mehr Aufklärung seitens Sozialberatungen und niedrigschwellige Angebote in Pflegeeinrichtungen halte ich für sinnvoll. In meiner Wunschvorstellung gäbe es in Einrichtungen zum Beispiel eine regelmäßige Sprechstunde einer Sexualbegleiterin.
Pamina, vielen Dank für das Gespräch.
Begleitend zu unserer Ausstellung laden wir Sie einmal im Monat ins Kino ein. Auch hier geht es bei unserer nächsten Vorstellung um die Sehnsucht nach Intimität. Ängstlich aber sehnsüchtig begeben sich die Protagonist:innen im Film “Touch me Not” auf die Suche nach Zärtlichkeit und überwinden dabei gewohnte Handlungsmuster und Tabus. Die Veranstaltung mit anschließendem Gespräch findet am am 30. Juni 2025 ab 20:30 Uhr im Kino Harmonie in Frankfurt statt.