Viele Wörter, alle sprechen sie von „den Einem“. In den Kapiteln „Die Dinge beim Namen nennen“ und „Ich und Sexualität“ unserer Ausstellung nehmen wir einige Sexwörter genauer unter die Lupe. / Grafik: MSPT – Museum für Kommunikation Frankfurt.
Selten drucksen wir so sehr herum und suchen nach Worten, wie wenn es ums, „du weißt schon“, „Untenrum“, und „die schönste Nebensache der Welt“ geht. Je nach Situation kommen uns „Sex“, „Vulva“ und „Masturbieren“ nur schwer über die Lippen. Wörter aus der Fachsprache klingen oft klinisch oder gestelzt. Auch deswegen greifen wir im Alltag, aber auch in Literatur, Kunst und Kultur auf eine Vielfalt an Umschreibungen zurück, wie sie sonst nur selten in der deutschen Sprache vorkommt.
Aber wann verwenden wir welche Wörter? Und was steckt eigentlich hinter ihnen? Für „Apropos Sex“ haben wir Stationen erarbeitet, in denen wir hinter die Ursprünge und die Verwendung vieler Sexwörter blicken. Konkret schauen wir dabei auf Metaphern für „Sex haben“, „Masturbieren“, „Penis“, „Vulva“ und „Orgasmus“. In diesem Beitrag erzählen wir euch, wie es uns dabei ergangen ist.
Genitalwörter statt Englischvokabeln: In einem Karteikasten kann man sich in „Apropos Sex“ über Hintergründe und Ursprünge vieler Wörter rund um Sex, Masturbation und Genitalien schlau machen. Grafik: Studio Erika.
In einem ersten Schritt geht es erst mal ans Sammeln. Nach dem wir im Team erste Assoziationen ausgetauscht haben, suchen wir nach Quellen, die sich professionell mit Sprache und Sexualität beschäftigen. Eine umfassende Sammlung von Sexmetaphern stellt Alex Deppert in „Sprache – Erotik – Sexualität“ (2001) zusammen. In den von ihm identifizierten Kategorien wird schon deutlich, in welche Richtungen Sexualmetaphorik geht: Die ist zum Beispiel „auf die Horizontale bezogen“ (Matratzensport, mit jemandem ins Bett steigen, jemanden flachlegen), es gibt „Geräuschsmetaphern“ (poppen, bumsen, orgeln, die Instrumente nachstimmen), aber auch Wörter aus dem Bereich „Schlagen, Kampf, Aggression, Zerstörung“ (Nahkampf, ringen, erledigen, sich jemanden vornehmen) oder „Übernahmen aus dem Tierreich“ (decken, hühnern, mausen, pudeln, rammeln). Schließlich sind da natürlich auch „auslassende Metaphern“ (es machen, zur Sache kommen, es treiben).
Aber auch Alltagsmedien waren relevante Quellen für uns. Wir haben recherchiert, wie in Büchern, Artikeln, Youtube-Videos oder Podcasts über Sex gesprochen wird. Der Youtube-Aufklärer Benjamin Scholz kommt in einem seiner „jungsfragen“-Videos zum Beispiel auf nicht weniger als acht Sex-Metaphern: „flachlegen“, „bumsen“, „zum Schuss kommen“, „eine Nummer haben“, „knattern“, „es tun“, „pimpern“, „miteinander schlafen“.
Schnell wird klar: An Auswahl mangelt es uns sicher nicht. Wenn die Sexwörter-Sammlung steht, heißt es im nächsten Schritt eingrenzen, denn der Platz in der Ausstellung ist knapp. Auch wenn „die Salami verprügeln“, oder „die Perle in der Muschel suchen“ lustige Umschreibungen für Masturbation sein mögen, sind sie wohl kaum weit verbreitet. Letztlich haben wir uns für gängige Sprachbilder entschieden, die eine spannende Geschichte erzählen. Herausgekommen sind folgende:
Zirklusion, Der kleine Tod, Es sich selbst machen. In unserer neuen Ausstellung nehmen wir 40 Sex Wörter genauer unter die Lupe. Grafiken: MSPT – Museum für Kommunikation Frankfurt.
Stehen die Begriffe fest, geht es an die vertiefte Recherche zu ihren Ursprüngen. Einige der Sprachbilder, zum Beispiel „vögeln“ sind nämlich mehrere Jahrhunderte alt. Erste Anlaufstelle für jegliche Fragen zu Wortherkunft und -geschichte ist das Etymologische Wörterbuch der deutschen Sprache, nach seinem Erstverfasser auch „Kluge“ genannt. Unter 13 000 Wörtern findet man hier neben Einträgen zur Bedeutungsgeschichte von „begatten“, „Koitus“ oder „Phallus“ auch umgangssprachliche Begriffe wie „pimpern“, „Muschi“ oder „Schniepel“. Dabei kommen auch kuriose Zusammenhänge zutage. Hättet ihr zum Beispiel gedacht, dass pimpern, Pimmel und Mörsterstößel den gleichen Ursprung haben?
Das „Etymologische Wörterbuch der deutschen Sprache“ gibt Aufschluss über Ursprung und Geschichte zahlreicher Wörter. Bild: Kluge und Seebold 2012.
Leider sind nicht alle Begriffe, die wir uns ausgesucht haben, im „Kluge“ gelistet. Manchmal sind die Informationen auch widersprüchlich oder unklar, denn oft können auch Sprachwissenschaftler:innen nur mutmaßen, wie sich eine bestimmte Redewendung entwickelt und verbreitet hat. Viele weitere Quellen, darunter das Digitale Wörterbuch für deutsche Sprache, Interviews mit Sprachwissenschaftler:innen und einige Bücher sind deswegen wichtig für uns. Manche davon, z.B. „Das feuchte & das Schmutzige – Kleine Linguistik der vulgären Sprache“, könnt ihr schon jetzt in unserer Museumsbibliothek lesen. Meldet euch dafür bei unser Bibliothekarin Katharina Windel an, am besten per E-Mail.
Nach der Recherche, lebhaften Diskussionen und Feedback aus unserem Team sind vierzig kurze Texte entstanden. Durch die Sammlung an Sprachbildern und Geschichten könnt ihr euch bald im Museum für Kommunikation stöbern. Schon neugierig? Weitere Einblicke geben wir euch in den kommenden Blogbeiträgen, schaut gerne wieder vorbei.