
Seit 2024 arbeitet Johanna Krompos als wissenschaftliche Volontärin im Museum für Kommunikation Frankfurt. Bild: Museumsstiftung Post und Telekommunikation.
Im Februar 2024 ziehe ich in das Projektbüro der Ausstellung „Apropos Sex“ im Museum für Kommunikation Frankfurt ein. Mir gegenüber sitzt Julia Marzoner, die kuratorische Leitung der Ausstellung. Am ersten Tag berichtet dey davon, wie die Arbeiten voranschreiten. Ich bekomme direkt einen ersten Eindruck davon, welche besonderen Aufgaben das Mitwirken an einer Ausstellung zum Thema „Sex“ mit sich bringen kann.
„Bisher habe ich es noch nicht geschafft, Pornos während der Arbeitszeit zu schauen,“ erzählt mir Julia an meinem ersten Arbeitstag schmunzelnd. Nicht mal zwei Monate später werde ich genau das tun. Aber der Reihe nach.
Meine Aufgaben
Ziel des zweijährigen Volontariats ist es, Einblicke in alle Bereiche der Museumsarbeit zu bekommen. Im Museum für Kommunikation Frankfurt sind das: Presse und Öffentlichkeitsarbeit, Ausstellungen / Kuration, Bildung und Vermittlung, Sammlungen, Museumsmanagement, sowie Personal-, Finanz und Rechnungswesen.
Meine erste Station ist die Kuration. Für die Arbeit am Bereich „Aufgeklärt“ treffe ich mich wöchentlich mit Nina Voborsky, der Leitung der Bildung und Vermittlung im Museum und der freien Kuratorin Katja Weber. Katja Weber gestaltet das interaktive Klassenzimmer zur Geschichte der schulischen Aufklärung in BRD und DDR. Es soll eingerahmt werden von Geschichten und Objekten zu kindlicher Aufklärung und der Vorstellung verschiedener Akteur:innen sexueller Bildung.

Im Themenbereich „Aufklärung“ durfte Johanna auswählen, welche der von Anke Kuhl illustrierten und von Katharina von der Gathen beantworteten Aufklärungsfragen aus dem Buch „Klär mich auf“ in unserer Ausstellung Platz finden. Bild: Museumsstiftung Post und Telekommunikation.
Reise durch die Geschichte der Sexualaufklärung
Für die Recherche durchstöbere ich den Handapparat zur Ausstellung in der Bibliothek, klicke mich durch online zugängliche Sammlungen anderer Museen, lese wissenschaftliche Texte und Artikel und bin viel auf Youtube unterwegs. Von der Abteilung „Sexualaufklärung“ der BZgA erhalte ich Zugriff auf verschiedene Aufklärungsformate, die sie für TV und Kino produziert oder mitgestaltet haben. Los geht es auf eine Reise durch die Zeit.
Besonders spannend finde ich das Zeitdokument „Helga. Vom Werden des menschlichen Lebens“. Der Film hat, als er 1967 in die deutschen Kinos kam, für Furore gesorgt. Die darin gezeigte Geburt soll dazu geführt haben, dass reihenweise Besucher:innen (insbesondere Männer) in Ohnmacht gefallen sind. Auch ich bin beeindruckt von der Geburt. Aber noch mehr von dem Kommentar der Pflegerin, die die Hauptfigur Helga unmittelbar nach der Geburt darauf hinweist, dass sie sich nun aber schnellstmöglich darum kümmern müsse, wieder in Form zu kommen. Ein weiteres Highlight sind die Episoden des KiKa-Kummerkasten, die mich in meine eigenen Teenie-Jahre zurückversetzen. Woher weiß ich, dass er mich liebt? Wie sage ich ihm, was ich empfinde? Wie geht Küssen? Ich werde ein wenig sentimental und bin gleichzeitig froh, dass ich diese aufwühlenden Jahre hinter mir gelassen habe.
Mein Herzensprojekt wird das Mitmachprojekt „Aufklärungsgeschichte(n)“. Hier geht es um persönliche Perspektiven auf Sexualität und Aufklärung. Auf unseren öffentlichen Aufruf zum Projekt melden sich schon bald einige Interessierte, die mir sehr persönliche Audios zusenden. Einzelne Menschen kommen im Museum vorbei, um gemeinsam ihre Geschichten aufzunehmen. Nach den Gesprächen bin ich ganz beseelt und dankbar für die Offenheit der Beteiligten. Ich kann es kaum erwarten, dass noch mehr Menschen diese Geschichten hören und sich darin wieder erkennen.

In unserer Ausstellung kann man einige der Geschichten, die Johanna erzählt wurden, nachhören. Bild: Museumsstiftung Post und Telekommunikation.
Kill your Darlings
Was ich am Kuratieren besonders spannend finde, ist es, Ideen und Recherchen einen räumlichen Ausdruck zu verleihen. Beim wissenschaftlichen Arbeiten in der Uni bin ich bisweilen auch mal daran verzweifelt, dass ich meine Gedanken schwer greifen konnte. Im Austausch mit dem Gestaltungsbüro Studio Erika und den anderen Kurator:innen der Ausstellung wird dies nun möglich.
Doch manchmal ist die kuratorische Arbeit auch frustrierend. Den Satz „Kill your Darlings,“ höre ich in den ersten Wochen meines Volontariats mehrfach. Das Schwierigste ist das Eingrenzen. Es gibt so viele Möglichkeiten, sich den Themen zu nähern. So viele Objekte, die Geschichten erzählen. Liebgewonnene Ideen muss man auch wieder loslassen können.
Pornos schauen auf Arbeitszeit
Am 26.3. gehe ich zu Recherchezwecken zur Veranstaltung „ECHTE LUST – Die verführerische Welt der Amateur-Pornographie“ im Arthousekino Harmonie Frankfurt. Über die Leinwand flimmern Ausschnitte aus Filmen der Lustery-Community: Echte Pärchen, die echten Sex haben. Nach der Vorstellung geht das Licht an und der ausgebuchte Kinosaal wird wieder sichtbar. Gut möglich, dass Stille jetzt ganz schön unangenehm gewesen wäre. Stattdessen kommen zwei Mitarbeiter:innen von Lustery auf die Bühne, berichten von ihrer Arbeit und stellen sich den Fragen des Publikums. Dabei geht es um ethischen Porno, die Kuration der Webseite, Persönlichkeitsrechte und die Frage, was eigentlich passiert, wenn die Paare sich mal trennen.
Das Fazit des Abends: Ethische Pornos schauen zu Recherchezwecken ist ziemlich super. Auch super ist, sich mit Menschen darüber auszutauschen – und das sogar in der Öffentlichkeit und mit Menschen, die nicht zum engsten Freund:innenkreis gehören.
„Ist die Schweiß-Bestellung schon da?“ – Mit Kolleg:innen über Sex reden
Für die meisten Menschen, inklusive mir, sind Gespräche mit Kolleg:innen über Sex eine sehr unangenehme Vorstellung. Auch wenn sie nun für mehrere Monate zu meiner Tagesordnung gehören, ist das zum Glück nur sehr selten unangenehm. Vor allem, da wir in der Regel nicht über persönliche Erfahrungen sprechen.
Bisweilen wird es aber durchaus mal etwas kurios. Etwa, wenn jemand begeistert von einer ARTE-Doku berichtet über eine Frau, die ein „unglaubliches Talent hatte, Penisse in ihrem Mund verschwinden zu lassen“ (Die Rede ist vom Kult-Porno „Deep Throat“), wenn Nippel-Probleme gelöst werden müssen, Schweiß im Internet bestellt wird oder dich die Kolleg:in trocken fragt, ob das Spekulum, das heute mit der Post gekommen ist, eigentlich für dich ist.
Doch letztlich gewöhnen wir uns an Vieles. Und kurz vor Ausstellungseröffnung erscheint es mir schon ganz selbstverständlich, am Mittagstisch mit meinen Vorgesetzten im Museumscafé über die Auswahl von Sex Toys zu sprechen.
Ausstellungsarbeit klingt spannend und Du hättest auch mal Lust, einen Blick hinter die Kulissen eines Museums zu werfen? Neben den Volontariaten, die in unregelmäßigen Abständen ausgeschrieben werden, kann man bei uns auch Praktika machen. Melde Dich einfach bei der Abteilung, die dich interessiert.